Kaia Gerber hat sich jüngst auf Instagram mit pinkfarbenem Haar präsentiert. Na und? Dass Models öfter mal ihren Look ändern, gehört zum Business. Das Erstaunliche an den Fotos, auf denen Gerber statt mit kastanienbrauner Mähne mit zerfranstem Pagenschnitt im Farbton “Zuckerwatte-Fuchsia” posiert, ist denn auch weniger die Frisur als vielmehr Gerbers Kommentar dazu: “Ich wollte aussehen wie Kurt Cobain.” Ist das mutig, naiv oder gar vermessen? Ganz sicher ist es ein Vermarktungscoup.

Gerber zählt mit ihren gerade mal 19 Jahren zu den gefragtesten Models der Welt. Aber (das wird sie von ihrer Mutter Cindy Crawford wissen), um ein Supermodel zu sein und sich trotz massenhafter Konkurrenz langfristig auf Laufstegen und Magazincovern zu behaupten, braucht es mehr als tolles Aussehen. Charakter und Persönlichkeit sind gefragt. Da macht es sich gut, wenn man wie Gerber, die gerade einen Buchclub gegründet hat, über Literatur schwadroniert und ein Faible für Subkulturen offenbart. Grunge, mit dem derzeitigen Revival der Achtziger- und Neunzigerjahre in der Mode wieder viel beschworen, kommt da gerade recht.
“Grungy” bedeutet schmuddelig und schäbig
Es ist fast schon tragisch, wie die Modebranche diese Ära, die Mitte der Achtzigerjahre in der Musikszene von Seattle begann und mit dem Tod von “Nirvana”-Frontmann Kurt Cobain 1994 zu Ende ging, alle Jahre wieder für sich ausschlachtet. Zumal Grunge als eine Art Hybrid aus Hard Rock, Metal und Punk, alles andere als glamourös, sondern vor allem ein Gegenpart zum keimfreien Seifenpop sein wollte. “Grungy” bedeutet schmuddelig und schäbig. Wie das zur Welt der Mode passt? Glatt gebügelte Ästhetik ist auf Dauer langweilig. Designer haben daher schon immer gern mit Stilbrüchen gearbeitet, um aufzufallen, innovativ zu erscheinen oder um zu provozieren. Der Grunge, nicht ganz so radikal wie der Punk, kam Anfang der Neunzigerjahre insbesondere vielen jungen Designern gelegen.

Der immer ein bisschen nach Secondhandladen aussehende Garagenbandlook der Vorstadtjugendlichen, der sich von Seattle aus mit dem Erfolg von Soundgarden, Nirvana, Pearl Jam oder Alice in Chains verbreitete, wurde vor allem von Calvin Klein, Anna Sui und Marc Jacobs kopiert. Gleichzeitig war es die Geburtsstunde der Unisexmode: Holzfällerhemden über Comic-T-Shirts, abgewetzte Jeans, Wollmützen und Hoodies gehörten nicht nur zur Uniform von Kurt Cobain oder “Soundgarden”-Sänger Chris Cornell und ihren männlichen Fans.
Gefahr, dass der Grungelook wie eine Verkleidung aussieht
Zu der Zeit wurden zudem Models und Schauspielerinnen berühmt, die den Style auch in der Damenmode kultivierten. Allen voran Kate Moss, Stella Tennant, Winona Ryder und Alicia Silverstone. Gerbers Mutter Cindy Crawford, seinerzeit Supermodel, gehörte eher nicht zur Fraktion, die Wollmützen und klobige Doc Martens zu Slip Dresses trug. Ebenso wenig reicht ihre Tochter Kaia Gerber heute an die Coolness der jungen Kate Moss heran. Der Grungelook kommt zwar betont unkompliziert daher, dennoch wirkt er wie eine Verkleidung, wenn man ihn sich einfach überstülpt, ohne die entsprechende Haltung dazu auszustrahlen. Dazu gehört in erster Linie, eben nicht betont modisch sein zu wollen.

Der Grungestil wurde und wird von Designern vor allem wegen seiner Authentizität und seines anarchischen Charakters geschätzt. Das zu kopieren ist nicht einfach, wird aber immer wieder versucht. Die jüngste Welle hält nun schon vier Jahre an und wurde 2016 mit einer Calvin-Klein-Kampagne eingeleitet, die das legendäre Werbefoto von Herb Ritts mit Kate Moss und Mark Wahlberg aus dem Jahr 1992 zitierte. Doch der schwarz-weiß inszenierte Wiederbelebungsversuch mit Model Lara Stone und Popstar Justin Bieber reichte nicht an das Original heran. Justin Bieber und Grunge trennen nun mal Lichtjahre voneinander.
Auch Marc Jacobs wagte eine Reminiszenz: 2019 legte er für seine Resortkollektion mehr als 20 Looks aus seiner legendären Perry-Ellis-Kollektion von 1993 neu auf. Einige Kritiker fragten höhnisch, ob ihm nichts Neues einfiele. Was Neues ist auch diesen Herbst und Winter nicht wirklich in Sicht: Immer noch sind Hoodies, Sweatshirts, Schottenmuster und High-Waist-Hosen, Flanellhemden, Lagenlook und Jeans mit Cut-outs angesagt. Hinzu kommen bunte Haare und düsteres Make-up. Nur spricht man unter Modeexperten nun nicht mehr von Grunge, sondern vom New Grunge. Mit Cobain und Co. hat das am Ende gar nichts mehr zu tun. Gut so. Denn, wie der Sänger selbst einmal sagte: “Jemand anderes sein zu wollen ist eine Verschwendung von dem, was man ist.”
September 05, 2020 at 04:18PM
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Modetrend im Herbst 2020: Grunge ist in – mal wieder - RND
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